
Ohne eine UX Strategie ist der UX Reifegrad noch nicht so hoch
Auch wenn UX Strategie derzeit ein Trendthema ist, ist das Thema für die meisten Organisationen immer noch völlig neu. Selbst wenn sie UX-Designer*innen im Team haben, kämpfen diese in der Regel alleine darum, dass die Bedürfnisse der Benutzer im Endprodukt repräsentiert werden. Viele UX-Designer*innen betreiben jedoch keinen UX Research (wie z.B. Shadowing, Interviews, Usability-Tests, ...) und sind eher mit dem reinen UI-Design beschäftigt.
Ein zweites Trendthema im Moment sind Designsysteme. Ich musste aber feststellen, dass die meisten Organisationen ein oder zwei Schritte vor dem Erreichen der vollen Effektivität eines Designsystems abbrechen. Wenn zum Beispiel ein Produktteam damit begonnen hat, eine Komponentenbibliothek zu verwenden und zu erweitern, ist das ein guter erster Schritt. Die Weiterentwicklung dieser Komponentenbibliothek in ein Designsystem ist jedoch schwierig.
Dazu muss es gut dokumentiert, gepflegt und sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Designprozess integriert werden. Für eine Organisation ist es oft schwierig, zu sehen, was mit einer soliden UX Strategie und einem voll entwickelten Designsystem möglich ist. Darum haben mein Team und ich die folgenden UX-Levels entwickelt, um Ihnen zu helfen, einzuschätzen, wo Sie stehen, und auch zu sehen, was für Sie möglich ist. In unserem Podcast Software für Menschen, haben wir ebenfalls eine Folge den Designsystemen gewidmet!
Level 1: „Wir sind an UX interessiert"
In Organisationen auf dieser Ebene treffen die Product Owner alle Produktentscheidungen und die Entwickler alle Entscheidungen über die Benutzeroberfläche. Es gibt in dem Fall keine klare Möglichkeit, die Bedürfnisse der Nutzer einzubinden. Dies führt zu verschwendeter Entwicklungszeit und suboptimaler Produktqualität, da ein wichtiger Bestandteil fehlt. Stattdessen ist die Funktionalität das wichtigste Ziel - aus geschäftlicher oder nur aus technologischer Sicht. Es könnte Nutzer-Feedback geben, z.B. wenn sich Benutzer ein "Smartphone-ähnliches" Look & Feel wünschen. Daher weiß das Produktteam, dass sie sich mehr um Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie kümmern sollten. Auch zwei Begriffe, die ich oft von Menschen auf dieser Ebene höre. "UX" ist auf diesem Level noch etwas Undefiniertes und mit unklarem Nutzen, aber Entscheidungsträger sind oft neugierig, mehr zu erfahren.
Level 2: „Wir haben UX-Designer"
Wenn Ihre Organisation bereits Level 2 erreicht hat, arbeiten UX-Designer an Ihren Produkten (entweder intern oder extern). Auf Level 2 konzentrieren sich UX Designer normalerweise nur auf das Design von UI, Informationsarchitektur und Workflows, haben aber nicht genügend Möglichkeiten, die realen Benutzer miteinzubeziehen. Häufig werden diese Möglichkeiten von einer höheren Managementebene blockiert, aus Angst, einigen ihrer potenziellen Kunden unvollständige Produkte zu zeigen. Daher wird das Design-Team das Beste daraus machen, einen Styleguide und vielleicht eine Komponentenbibliothek erstellen. Aber sie werden hinter UX-Prozessen wie Design Thinking oder User Centered Design zurückbleiben, weil echte Anwender und UX-Forschungsmethoden in ihrem Prozess und Toolkit fehlen.
Level 3: „Wir verwenden UX-Prozesse"
Organisationen auf dieser Ebene integrieren UX-Methoden in den Entwicklungsprozess. Vom C-Level aus werden UX-Maßnahmen gefördert. Die Produktentwicklung erfolgt mit einer agilen oder iterativen Methodik, Prototypen werden mit Anwendern getestet und mit UX-Forschungsmethoden entwickelt. Verschiedene Produktteams und UX-Designer sind in der Regel sehr unabhängig, um mehr Kreativität zu fördern. Wahrscheinlich gibt es eine Komponentenbibliothek oder etwas Vergleichbares und sie erleichtert den Entwicklern erheblich Ihre Arbeit. Dieses Setup wird in der Regel von Grund auf neu erstellt, was auch dazu führt, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr die höchste Produktivitätsstufe erreicht. Das Setup wurde bisher nie strategisch eingesetzt.
Level 4: „Wir haben eine UX Strategie implementiert"
Auf dieser Ebene haben Organisationen eine ausgereifte UX Strategie. Das bedeutet, dass alle Produktentwicklungsteams mit UX Designern zusammenarbeiten. Sie betreiben systematisch ein auf der UX-Forschung basierendes Requirements Engineering. UX wird nicht mehr als eine Möglichkeit gesehen, bessere Produkte zu bauen, sondern als eine Möglichkeit, Produkte zu finden, zu bewerten und zu optimieren. Um das zu erreichen, hat die Organisation Tools und Prozesse geschaffen, die UX als Kernstück haben. Ein voll ausgestattetes Designsystem ist oft ein solches Werkzeug. Es bündelt nun alle Komponenten und Prozesse und hat sich zu einem leistungsfähigen Kernstück entwickelt und einer “Single Source of Truth”, die jeder regelmäßig nutzt. Designer entdecken und erstellen neue Funktionen innerhalb des Designsystems. Entwickler erweitern und passen das Designsystem an. Product Owner nutzen das Designsystem, um den aktuellen Status zu sehen und neue Ideen zu prototypen.

In diesen Organisationen trifft der CEO einige seiner Entscheidungen auf der Grundlage von UX-Forschung. CEOs haben gelernt, dass sie dadurch wertvolles Wissen und Einsichten erhalten.
Level up
Designsysteme werden oben häufig erwähnt, weil sie einen echten Satz aus Tools und Prozessen darstellen, die den Kern der Produktentwicklung bilden. Durch die Schaffung und Entwicklung eines Designsystems kann eine Organisation im Laufe der Zeit das UX Level deutlich steigern. Die Reichweite eines Designsystems innerhalb einer Organisation zu erhöhen kann dazu beitragen, Prozesse zu standardisieren und UX durch ein Designsystem zum Kern der Organisation zu machen. Natürlich ist ein Designsystem nicht die einzige Komponente einer soliden UX Strategie - aber es ist eine wichtige Komponente. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Denkweise des Managements der Organisation - eine neugierige & wissenschaftliche Denkweise wird in der Regel bessere Produkte hervorbringen als eine Versteifung auf bestimmte Ziele. Ganz gleich, wo Sie geradestehen, ein erfahrener UX-Stratege kann Ihre Organisation auf das nächste UX Level bringen - das ist es, was wir Strategen tun.